"Professor Mamlock", Staatstheater Braunschweig.
Kritik vom 23.1.2023.
Als viel beschäftigter Mensch komme ich nicht so oft ins Theater, wie mir lieb wäre. Wenn ich es dann schaffe, bin ich meistens hinterher: Gut unterhalten, vielleicht auch informiert oder zum Nachdenken gebracht. Sehr selten verärgert. Trotz des sporadischen Charakters meiner Theaterbesuche sind sie ein Teil meines Lebens, den ich genieße, über den ich aber nicht viele Worte verliere. Schon gar nicht schriftlich, obwohl das Schreiben bei mir ja schon fast eine Art Reflex ist.
Nun aber muss es sein. Die Premiere von „Professor Mamlock“, der ich gestern beiwohnen durfte, sprengte alle Erwartungen – die ich eigentlich gar nicht hatte. Vom Autor Friedrich Wolf hatte ich, ich gestehe es, noch nie gehört. Von den Darstellern war mir spontan nur Cino Djavid geläufig, den ich an Silvester im Staatstheater Braunschweig als Wildes „Idealen Mann“ bewundern durfte. Überhaupt war die Wahl des Stücks, das ich mit einer Freundin sehen wollte, geradezu zufällig, mehr das Ergebnis eines gemeinsamen Ausschlussverfahrens. In dem Stück geht es, knapp gesagt, um das Schicksal eines jüdischen Arztes zu Beginn des Nazi-Regimes. Klang interessant, dachten wir und entschieden uns für „Professor Mamlock“.
Und dann: Das. Mehr als ein bloßes Theatererlebnis. Ein Theaterereignis!
Das Stück, die Sprache des Autors: Präzise, gewitzt; dichterisch, aber zugänglich; voll von punktgenauen Formulierungen, die des Zitierens würdig sind. Ein beklemmender Stoff, der nach wie vor aktuell ist. Also schon mal: Lesenswert! Überhaupt, punktgenau: Die ganze Inszenierung, vom Bühnenbild, über projizierte Sequenzen von Nazi-Aufmärschen oder aus Buster-Keaton-Filmen, bis hin zur Besetzung. Leidenschaftlich: Cino Djavid als Mamlocks kommunistischer Sohn Rolf; eindringlich: Gina Henkel und Nina Wolf als Frau und Tochter des Professors. Im besten, und auch im bösen Sinn wandlungsfähig: Lea Sophie Salfeld und Robert Prinzler als Assistenzärzte. Weitere wunderbare Darsteller in den Nebenrollen, die ich hier nur aus Platzgründen nicht näher ausführe. Und schließlich: Heiner Takes furiose Leistung in der Titelrolle!!! Großartig.
Hier stimmte einfach alles. Ich formuliere selten und ungern so drastisch, aber hier kann ich nur sagen: Wer dieses Stück nicht sieht, dem fehlt ein Theaterabend fürs Leben.